Fusion Jazz
(Populäre Musik)

I. Einleitung
Bereits die Namensdefinition für die Art von Musik, die ab den 70´er Jahren in den USA entstand und von dort aus ihren Weg über den gesamten Globus machte ist sehr schwierig. Da sie sowohl Jazz-, als auch Rockelemente beinhaltete, wurde sie als Jazz Rock oder Rock Jazz bezeichnet. Bei dieser Bezeichnung gab es Meinungsverschiedenheiten darüber, an welcher Stelle Jazz und an welcher Stelle somit Rock stehen sollte. Sagte der Begriff Jazz Rock aus, daß es sich hier in erster Linie um Jazz handelte, oder sagte er aus, daß es sich um eine Form der Rockmusik handelt? Da der Begriff Jazz ohnehin nicht besonders verkaufsförrdernd wirkte, entwickelte man andere Begriffe, wie Crossover oder Fusion. Später verwendeten einige die Bezeichnung Electric Jazz. Dieser Begriff beschreibt zwar eine entscheidende Erneuerung, die die Musik hervorbrachte, verwendet aber wiederum den Ausdruck Jazz. Im weiteren benutze ich den Begriff Fusion, da er im Zusammenhang mit dieser Art Musik am häufigsten gebraucht wird. Allerdings gilt es zu bedenken, daß Jazz schon immer Fusion war. Unterschiedlichste Stile, mit afrikanischer, europäischer oder lateinamerkanischer Herkunft, hatten schon lange vorher den Jazz beeinflußt und geprägt und ihn überhaupt erst entstehen lassen. Die Rockmusik war das neue Element, welches zusammen mit dem Jazz, die Fusion, die hier beschrieben wird, ergab.

II. Geschichte
Fusion war der erste Jazzstil, nach der Zeit des Swing, der ähnlich große Popularität erreichte. Die 70´er Jahre waren hierfür das entscheidende Jahrzehnt, aber auch in den 80´ern und 90´ern spalteten sich daraus Stile ab, die sehr wichtig für den gesamten Musikmarkt waren und sind. Die 60´er Jahre kann man zugleich als einen Höhepunkt und als einen Endpunkt der bis dahin stattgefundenen Entwicklung in der Jazzmusik ansehen. Die Komplexität dieser Musik war von der Art, wie sie zu Anfang des Jahrhunderts in New Orleans gespielt wurde, über die verschiedenartigen Formen wie Swing und Bebop, stetig gewachsen. Rhythmisch, harmonisch und melodisch waren immer neue Ausdrucksformen hinzugekommen. (vgl. Finscher, Fusion Sp. 1410) Im Free Jazz der 60´er Jahre versuchte man neue Formen zu schaffen, sich von Konventionen zu lösen. Die übliche Songform AABA und das oft benutzte Bluesschema wurden nicht mehr so häufig benutzt. Die persönlichen Ausdrucksweisen standen im Vordergrund. So gab es kaum einen verbindlichen Rhythmus. Die Betonung war frei. Die Improvisation um ein tonales Zentrum, trat an die Stelle eines harmonisch-formalen Aufbaus. Die bisherige Rollenverteilung in Rhythmusgruppe und Solisten wurden weitgehend aufgehoben und die ganze Klangfarbe veränderte sich. Man verwendete fremdartige Tonleitern und atonale Elemente. Fusion bildete in den 70´ern den Gegenpol zu dieser Bewegung. Man benutzte simple Formen und wollte die „Massen“ für diese Musik begeistern. Ein elitäres Publikum, wie im Free Jazz, welches zudem meist aus Musikern bestand, war nicht erwünscht. Mit der Lp „Bitches Brew“ von Miles Davis begann 1969 der Erfolg der Fusion. Davis übernahm auf dieser Platte viele Elemente der Rockmusik. Etwa zur gleichen Zeit gab es auch unter Rockmusikern erste Annäherungen an den Jazz. Frank Zappa war einer der ersten Musiker, der beide Stile mischte. Im Lager der Jazzmusiker war besonders die Musik von Jimi Hendrix hoch angesehen. Der Einfluß von Miles Davis und der verschiedener Musiker seiner Formationen auf die Fusionmusik war sehr groß. Eine entscheidende Erneuerung im Fusion war der Einsatz von elektrischen Instrumenten. Davis verwendete auf „Bitches Brew“ drei Keyboards, eine elektrische Gitarre und eine elektrische Bassgitarre. Durch die Elektrifizierung erreichte man eine wesentlich höhere Lautstärke, als zuvor mit den akustischen Instrumenten. Die Wirkung der Fusion war auf der ganzen Welt sehr groß, da viele Platten verkauft wurden und viele versuchten die angesagten Musiker nachzuahmen. Die Annäherung von Jazz und Rock brachte auf beiden Seiten eine musikalische Weiterbildung mit sich. (vgl. Finscher, Fusion Sp. 1411) Dadurch, daß mehr Menschen die Musik konsumierten, entstanden auch neue Auftrittsmöglichkeiten für die technisch versierten Jazzmusiker, die nun auch Rock spielten. Eine ganze Generation von Musikern wurde durch solche Leute inspiriert und geformt. Die Kommerzialisierung hatte natürlich auch ihre Schattenseiten, so verflachte bei vielen Fusionstars die Musik bereits nach ein oder zwei Lp´s, da man nur das machte, was die Leute hören wollten und das bedeutete im allgemeinen simple Formen, wenig Abwechslung und kaum Innovationen. Einige Musiker, wie z.B. John Mc Laughlin, Chick Corea, Keith Jarrett oder Herbie Hancock, wandten sich daher bald darauf einer Musik zu, die eher akustisch, kammermusikalisch war und wieder mehr Improvisation beinhaltete. Durch die Bekanntheit, welche diese Leute mit Fusion erreicht hatten, wurden auch solche Konzerte von einer großen Zuschauerzahl frequentiert. Im Laufe der Zeit entwickelten sich viele verschiedene Fusion und Funkstile. Der Engländer John Mc Laughlin schaffte es bereits 1969 auf seiner Platte „Extrapolation“ solch unterschiedliche Richtungen wie: Rock, Swing, Free Jazz und bis dahin in der westlichen Welt eher unbekannte rhythmische Metren zu vereinen. „Extrapolation“ war ein richtungsweisendes Zukunftssignal aus England, denn hier kamen die verfeindeten und entfremdeten Stile Free Jazz und Beat Rock zusammen. (vgl. Schaal, Jazz-Rock 7) Im Free Jazz waren bis zu diesem Zeitpunkt viele Sachen ausprobiert worden. Es gab einen gewissen Leerlauf. Ebenso war die Rockmusik in einer schwierigen Phase, da einige der wichtigsten Personen durch Ereignisse die zumeist im Zusammenhang mit Drogenmißbrauch standen, gestorben waren. Die gesprengten Räume des Free Jazz und die Emotionen der Rockmusik ergaben miteinander kombiniert, neue Möglichkeiten, so entwickelte sich in England der Art Rock. Dieser enthielt viele verschiedene Elemente und definierte die Popmusik neu. Gruppen wie „Emerson, Lake and Palmer“, „Yes“, „Pink Floyd“ oder „Genesis“, prägten bald die gesamte Rock- und Popszene. Jazzmusiker spielten Fusion in einer anderen Art und Weise. Die E-Gitarre wurde wie bereits zuvor in der Rockmusik zu einem sehr wichtigen Instrument. Man übernahm die knurrenden und atonalen Klänge, wobei vor allem Jimi Hendrix als Vorbild diente. Die Parts, die normalerweise von Blech- und Holzbläsern gespielt wurden, übernahm die E-Gitarre. Trompeten, Posaunen, Klarinetten und Saxophone wurden damit weitgehend überflüssig, wobei später vor allem Saxophone wieder häufiger benutzt wurden. Die einflußreichsten Gitarristen des Fusion sind bis heute: John Mc Laughlin, Al Di Meola, Larry Corryell, Sonny Sharrock, Pat Metheny und John Abercrombie. Desweiteren wurden Schlagzeug und Baß zu gleichwertigen Partnern der Harmonieinstrumente. Drummer wie Billy Cobham, Alphonze Mouzon, Tony Williams und Lenny White spielten mit der Wucht eines Rockdrummers und beherrschten gleichzeitig die filligrane Technik eines Jazzdrummers. Die Einführung des E-Bass änderte die Rolle des Baß im Jazz, der bis dahin hauptsächlich begleitende Walking-Linien gespielt hatte, beträchtlich. Man war laut, spielte schnell und war immer präsent. Entscheidende Innovatoren waren vor allem Jaco Pastorius und Stanley Clarke. Bei der allgemein gestiegenen Lautstärke und dem hohen Tempo, wollten auch die Pianisten nicht nachstehen. Anstatt akustischer Flügel und Klaviere benutzte man E-Pianos und Synthesizer. Joe Zawinul, Jan Hammer, Chick Corea, Herbie Hancock und George Duke sind die wichtigsten Vertreter. Die Bands dieser Ära wurden nicht mehr einfach nach ihrem Bandleader benannt. „Return to Forever“, „Mahavishnu Orchestra“ und „Weather Report“ gehören zu den bekanntesten. Bereits Mitte der 70´er Jahre gab es viele verschiedene Ableger. Von einem einheitlichen Stil konnte man nicht mehr sprechen. Die „Crusaders“ und die „Brecker Brothers“ mischten ihre Fusion mit schwarzem Funk. Einige andere ästhetisierten die Musik auf eine romantische Art und Weise. Zu ihnen gehörten Pat Metheny, David Sanborn und Grover Washington jr. Solche Musik verflachte aber oft zur Entspannungsmusik und ist auch heute oft in Fahrstühlen und ähnlich beunruhigenden Plätzen zu hören. Eine Gegenbewegung fand Ende der 70´er statt, als Ornette Colemans „Prime Time“ und einige andere Musiker Stilarten wie Punk Jazz, Free Funk oder No Wave spielten. Ronald Shannon Jackson, Jamaladeen Tacuma und James Blood Ulmer waren Colemans Mitstreiter. Weitere Bands waren „Defunkt“ und „Last Exit“, die aber jeweils nur eine von vielen Stilrichtungen repräsentierten. In den 80´ern spielten Produktionen des Produzententeams Larry Rosen und Dave Grusin (GRP) eine zentrale Rolle in der Fusionmusik. Diese bewegten sich jedoch am äußeren Rand des Jazzspektrums. Man bezeichnet die Musik oft als Pop Fusion. Die Jazz Rock Fusion im eigentlichen Sinn gibt es wohl seit Mitte der 70´er Jahre nicht mehr (vgl. Schaal, Jazz-Rock 10), aber die Musiker dieser Zeit und ihre Erben spielen auch am Ende der 90´er Jahre noch eine wichtige Rolle, sowohl als Virtuosen und Studiomusiker, als auch als stilübergreifende Musiker in einer Zeit in der alle musikalischen Stile gemischt werden.

III. Vorläufer der Fusion
Bereits Mitte der 60´er Jahre gab es einige Bands, die man als Vorläufer bezeichnen kann. 1966 spielte der Gitarrist Larry Coryell mit seiner Formation „The Free Spirits“. Ein Jahr später war er Mitglied in einem Quartett mit dem Vibraphonisten Gary Burton. Diese Bands spielten Jazz und Rock. Größere Popularität erreichten aber „Blood Sweat and Tears“ und 1968 die siebenköpfige Band „Chicago“. Diese Gruppen verwendeten „Hornsections“, welche meistens aus einer Trompete, einem Saxophon und einer Posaune bestanden. Musikjournalisten nannten die Musik wohl in erster Linie aufgrund dieser Tatsache Jazz Rock. Die Bläserarrangements von „Chicago“ und „Blood Sweat and Tears“ erinnern allerdings mehr an diejenigen von Rhythm and Blues Bands der 50´er Jahre. James Brown und die „Motown-Hornsections“ dienten hier als Vorbild. Kurze improvisierte Soli waren das Einzige, was bei diesen Bands mit Jazz zu tun hatte, auch wenn einige der Mitglieder vorher in Jazzbands gespielt hatten oder von Jazzmusikern inspiriert waren. „Blood, Sweat and Tears was a highly profesional and creative group of musicians who performed several different styles of popular music; but, they did not necessarily demonstrate a fusion of jazz with rock“. (Gridley, Jazz Styles 329) Die Bands mit Larry Coryell, Gary Burton und Mike Nock kamen diesem Anspruch wesentlich näher. Den größten Schritt in diese Richtung machten aber die Formationen von Miles Davis und die seiner Mitmusiker.

IV. Miles Davis
Die innovativen Ideen des Trompeters und Bandleaders Miles Davis waren es, die den Fusion aus Jazz und Rock bekannt machten. Seine Lp´s „Bitches Brew“ und „In a silent way“ gelten als „Ouvertüre zur Fusionmusik“.(vgl. Schaal Jazz-Rock 7). Diese Platten enthielten ausgedehnte Bläsersoli, Kollektivimprovisation und modale Spielkonzepte aus dem Free Jazz. Rockelemente waren noch nicht in großem Umfang vorhanden. Gitarre, Baß, Schlagzeug und Keyboards fungierten noch als echte „Rhythm section“. Aber bereits auf den drei folgenden Veröffentlichungen von Davis änderte sich dies. „Jack Johnson“, „Live Evil“ und „On the Corner“ klangen sehr rockig. Danach legte Miles Davis eine fünfjährige Schaffenspause ein. Schon vor den Aufnahmen zu „Bitches Brew“ hatte sich angedeutet, daß Davis andere Stilarten in seine Musik zu integrieren versuchte. In seinem Quintett, welches er von 1964-1968 leitete, tauchten Elemente aus Rock und Funk auf. Der Drummer Tony Williams spielte damals schon gelegentlich im Stil eines Rockdrummers. Auch Bassist Ron Carter benutzte manchmal sich wiederholende Bassfiguren, die aus der Rockmusik stammen und nicht unbedingt Jazztypisch sind. Das Album „Filles de Kilimanjaro“ aus dem Jahr 1968, signalisierte eindeutig, daß Davis sich vom Jazz weg bewegte. (vgl. Gridley, Jazz Styles 331) Die Instrumentierung wandelte sich ab 1968. Es wurden vorwiegend elektrische Instrumente benutzt. Drums und Baß verwendeten Rock-, Jazz- und Latinrhythmen und die Songs wurden auf sich wiederholende Figuren aufgebaut. Das Spiel über Changes war nicht mehr Hauptbestandteil der Musik. Die Melodien waren weniger komplex, während die Rhythmen immer vielfältiger wurden und der Baß zum Dreh-und Angelpunkt avancierte, nach dem sich die anderen Musiker richteten. In dieser Zeit, von 1968-1973 wechselte Davis öfter seine Besetzung als zuvor. Die Musiker wechselten bei jeder Platte und auch Live spielte er häufig mit anderen Leuten, als auf der entsprechenden Lp. Davis änderte auch seinen eigenen Trompetensound. Das Legatospiel, was ihn vor allem zu Zeiten des Cool Jazz auszeichnete, seine sanften, (cool) gespielten Soli wurden bei einigen Stücken durch schnelles Spiel mit reichlich hohen Tönen und verschiedenen Effekten (Wah Wah, Hall...) ersetzt. Damit erinnerte er an den Sound von Rockgitarristen. Die Komplexität und der musikalische Anspruch hob diese Musik von der Rockmusik jener Zeit ab. Jazz, Funk, indische und lateinamerikanische Bestandteile, der Geist von John Coltrane und die Klangfarbe des Rock zeichneten seine Musik aus. (Gridley, Jazz Styles 335) In den 80´er Jahren experimentierte er mit sich stetig wiederholenden Trompetenlicks, die zuvor mit Synthesizer und Computer erstellt worden waren. Diese Arbeit verrichteten seine Produzenten Robert Irving III und Marcus Miller,- der auch Mitglied in Davis´ Band war und sich neben seiner Tätigkeit als Produzent auch als Songwriter und vor allem als ein vielseitiger und virtuoser E-Basspieler einen ausgezeichneten Ruf verschaffte. Die Musik, die Davis zu dieser Zeit machte war oft bis ins kleinste Detail durcharrangiert. Sie war nicht so verwegen und ungestüm, wie in den 70´ern und dennoch hob sie sich gegenüber den meisten Rock-und Popproduktionen dieser Zeit weit ab. Fast alle Platten des Fusion der 70´er Jahre, die hohe Verkaufszahlen aufweisen konnten und musikalisch von Bedeutung waren stammten von Musikern, die vorher einer Miles Davis Formation angehörten. Hier sind vor allem die Pianisten, bzw. Keyboarder Joe Zawinul, Chick Corea und Herbie Hancock, der Saxophonist Wayne Shorter und die Drummer Tony Williams und Jack de Johnette zu erwähnen. Herbie Hancock machte seine Lp „Headhunters“ zu dem bis dahin meist verkauftesten Jazzalbum überhaupt. Jack de Johnette und Dave Holland gründeten zusammen mit dem Gitarristen John Abercrombie die erfolgreiche Formation „Gateway“. Eine der erfolgreichsten Bands der Fusion wurde von Wayne Shorter, der bereits bei Miles Davis viele Kompositionen beigesteuert hatte und Joe Zawinul, der entscheidenden Anteil an der Elektrifizierung der „Bitches Brew“ Band hatte, ins Leben gerufen. „Weather Report“ hatte großen kommerziellen Erfolg mit einfachen Melodien und griffigen Strukturen. „Black Market“ und „Birdland“ wurden zu Superhits des Fusion. Von erheblicher Bedeutung war die Rhythm section. Man spielte zunächst mit zwei Drummern, wobei einer (Airto Moreira) exotische Percussionsinstrumente verwendete. Der erste Bassist von „Weather Report“ war Miroslav Vitous. Er beherrscht intelligentes, melodisches Spiel ebenso wie syncopierte, rhythmische Fragmente und spielt außerdem sehr gut mit dem Bogen. Durch diese Zusammenstellung von Musikern klang „Weather Report“ einzigartig mit einem Gemisch aus vielen verschiedenen Stilen. Mitte der 70´er Jahre verließ Vitous die Band. Er wurde durch Jaco Pastorius ersetzt, welcher mit seiner bis zu diesem Zeitpunkt unvorstellbaren Technik am E-Bass, zum Ideal einer ganzen Generation von Bassisten wurde. (vgl. Schaal, Jazz Geschichte 8) Die Instrumente wurden so eingesetzt, daß jeder in der Band auf seinem Instrument die Melodie übernehmen konnte und jeder genauso rhythmische Figuren und Fills spielen durfte. Dies war nicht, wie vorher im Jazz üblich, auf einzelne Instrumente beschränkt. Manchmal war kaum zu erkennen, ob einer der Musiker gerade ein Solo spielte, da alles variierte und fließend ineinander überging. Die einzelnen Musiker spielten sehr banddienlich. Es ging darum den Bandsound zu optimieren, nicht darum sich selbst darzustellen. Stimmungen und Sound-Strukturen waren in der Musik von „Weather Report“ sehr vielfältig. (Gridley, Jazz Styles 344) Eine zweite wichtige Band war das „Mahavishnu Orchestra“, welches von John Mc Laughlin ins Leben gerufen wurde. Weitere Musiker waren Jan Hammer an den Keyboards, Jerry Goodman spielte Violine, Billy Cobham bediente die Drums und Rick Laird den Baß. Die Band experimentierte mit komplizierten Rhythmusadditionen und Strukturüberlagerungen, Hochgeschwindigkeits-Improvisationen und Trance-Rhythmen. Man bewegte sich irgendwo zwischen Art Rock und Electric Jazz. Später wurde Jerry Goodman durch Jean-Luc Ponty ersetzt, aber die Musik verlor an interessanten Innovationen. Die dritte Formation, die im Zusammenhang mit Fusion und Miles Davis unbedingt erwähnt werden muß, ist die Band des Keyboarders Chick Corea. „Return to Forever“ bestand aus: Stanley Clarke am Baß, Joe Farrell an der Querflöte, Airto Moreira Percussion und Flora Purim am Gesang. Der Gesamtsound der Band war Anfangs sehr ruhig und experimentell, mit vielen spanisch inspirierten Melodien. In späteren Besetzungen wurden solche Elemente, durch hochvirtuose Improvisationen ersetzt. Dies wurde durch die Hinzunahme des Gitarristen Al Di Meola, der die Vorliebe von Chick Corea für flamenco-geprägten, temporeichen Jazz Rock teilte, zusätzlich verstärkt. Auch die Musiker, die erst in den 80´er Jahren mit Miles Davis spielten, zählen heute zu den gefragtesten Instrumentalisten, sowohl als Bandleader, als auch als Sessionmusiker. Bassist und Produzent Marcus Miller ist einer davon. Er arbeitet z.B. mit Dave Sanborn und hat großen Erfolg mit seinen eigenen CD´s. Weitere sind der Gitarrist Mike Stern, der zum Vorbild vieler aufstrebender Jazzgitarristen wurde und der Saxophonist Bill Evans,der in jüngster Zeit sehr erfolgreich Hip Hop- und Rap-elemente mit Jazz und Rock vermischte. Die Liste derer die einer Formation von Miles Davis angehörten und daraufhin selbst zu berühmten Musiker wurden, ließe sich fortführen. Natürlich spielten nicht alle für den Fusion wichtigen Musiker mit Davis und einige von den genannten auch nur recht kurz. Dennoch ist der Einfluß von Davis, auch auf diesen Jazzstil, als sehr hoch einzuschätzen.

V. Unterscheidungsmerkmale von Jazz zu Rock und Funk
Um auf die Vermischung von Jazz, Rock und Funk einzugehen, ist es notwendig, zunächst einiges über jeden einzelnen Stilbereich zu wissen und dadurch die Unterschiede der verschiedenen Musikstile erkennen zu können. Zu diesem Zweck seien zunächst neun Punkte aufgeführt, die für die Bereiche Rock und Funk typisch sind, jedoch für Jazz eher untypisch: 1. kurze Phrasen 2. wenig Akkordwechsel 3. keine komplexe Melodik 4. keine komplexe Harmonik 5. wenig Improvisation, vor allem bei den Begleitinstrumenten 6. häufige Wiederholung von melodischen Phrasen 7. häufige Wiederholung kurzer Akkordfortschreitungen 8. einfache, sich häufig wiederholende Schlagzeugpatterns 9. klar definierte Wiederholungen der Bassfiguren (vgl. Gridley, Jazz Styles 325). Das sogenannte rhythmische Gefühl wird im Jazz anders definiert als im Rock und Funk. Während der Jazzmusiker Flexibilität und Entspannung anstrebt, kommt es im Rock mehr auf Intensität und Solidität an. Man spielt „straight“ und benutzt zumeist binäre Rhythmen. Im Jazz sind ternäre Figuren üblich, um das charakteristische Swingfeeling zu erzeugen. Was das Instrumentarium angeht, so neigen Jazzmusiker öfter dazu akustische Instrumente zu verwenden. Jazz, Rock und Funk haben gemeinsame Wurzeln im Blues und im Gospel, aber ihre musikalische Entwicklung verlief unterschiedlich. Jazz ist zum größten Teil instrumental. Im Rock und im Funk ist Gesang üblich, dazu kommen einfache Kompositionsformen, wie 12-taktige Bluesschemen oder andere Formen mit nur vier verschiedenen Akkorden und ähnliches. Diese und andere Aspekte machten Rock und Funk zu einer Musik für ein Massenpublikum. Jazz dagegen erhielt einen Status ähnlich dem der klassischen Kammermusik, da das Publikum oft klein und spezialisiert war und ist. Religiöse Musik beeinflußte in größerem Umfang die Rockmusik, da hier die Botschaft über die Texte transportiert werden konnte. Betrachtet man die Fusionmusik im Zusammenhang mit der Entwicklung von populärer Musik so fällt auf, daß eher „schwarze Musik“ wie Soul und Funk, also Stile, die dem Rhythm and Blues und der Gospelmusik entstammen, adaptiert wurden. Der Rock´n Roll der „Weißen“ wurde weniger berücksichtigt. Somit scheint die Bezeichnung Jazz Funk Fusion korrekter zu sein, als Jazz Rock Fusion.

VI. Biographien
Um Fusion besser verstehen zu können, ist es hilfreich einige der wichtigen Musiker auf ihre musikalische Laufbahn hin, etwas genauer zu betrachten. Dabei habe ich mich für fünf Instrumentalisten entschieden, die für viele aufstrebende Musiker als Vorbild fungieren. Sie vertreten die fünf wohl elementarsten Instrumente des Fusion, nämlich Schlagzeug, E-Bass, E-Gitarre, Keyboard und Saxophon. Beginnen will ich mit dem britischen Gitarristen John Mc Laughlin, dessen Name im Zusammenhang mit Miles Davis und im Zusammenhang mit dem „Mahavishnu Orchestra“ bereits häufiger gefallen ist. Mc Laughlin wurde am 04.01.1942 in Yorkshire geboren. Seine Mutter spielte Violine und auch seine Geschwister waren allesamt Musiker. Im Alter von 9 Jahren erhielt er Klavierunterricht, brachte sich aber das meiste selbst bei. Mit 11 Jahren begann er Gitarre zu spielen. Bluesmusiker wie Muddy Waters und Big Bill Broonzy dienten als Vorbilder. Später bevorzugte er Django Reinhardt, Stephane Grappelli und Tal Farlow. Anfang der 60´er Jahre zog er nach London, wo er mit Alexis Corner, Graham Bond, Eric Clapton, Ginger Baker und anderen spielte. (vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The Essential Companion 313) Ebenfalls in den 60´ern spielte er zusammen mit Gunter Hampel in Deutschland Free Jazz. 1969 nahm er mit John Surman, Tony Oxley und Brian Odges das für den Fusion wegweißende Album „Extrapolation“ auf. Danach ging er nach New York, wo er Mitglied bei „Lifetime“, der Band von Tony Williams wurde und schließlich mit Miles Davis „In a silent Way“ und „Bitches Brew“ aufnahm. Das „Mahavishnu Orchestra“ gründete er 1971. John Mc Laughlin wurde mit seinem hohen technischen Niveau zu einem der bedeutendsten Jazzgitarristen seit Wes Montgomery. Sein Gitarrenton entsprach dabei nicht dem Idiom des Jazz, er war hart und metallisch, wie in der Rockmusik. (vgl. Gridley, Jazz Styles 335) Seine rhythmischen und melodischen Konzepte ähneln eher klassischer Musik und den Improvisationen John Coltranes in den 60´ern, als den üblichen Bebopmustern. Indische Musik, mit der Mc Laughlin sich intensiv beschäftigte, spielte eine wichtige Rolle. Ab 1973 spielte er dann auch mit indischen Musikern in der Band „Shakti“, wo er die akustische Gitarre im Zusammenspiel mit Violine, Tabla und Mridanga einsetzte. In den späten 70´ern und Anfang der 80´er Jahre spielte er wieder zunehmend elektrisch und nahm Platten mit Gitarristen wie Paco de Lucia, Al Di Meola, Larry Coryell und Christian Escoude auf. 1984 spielte er mit Bill Evans und war bei einigen Stücken auf der Miles Davis Lp „You´re under arrest“ beteiligt. Nach Aufnahmen mit den Los Angeles Philharmonikern 1985 spielte er in unterschiedlichen Besetzungen unter seinem eigenen Namen z.B. mit dem indischen Musiker Trilok Gurtu und dem deutschen Bassisten Kai-Eckhardt-Karpeh. Ein Glanzpunkt war sein Duo mit dem schwedischen Bassisten Jonas Hellborg in den 90´ern. Der Name des Keyboarders und Pianisten Chick Corea ist ebenfalls im Zusammenhang mit Miles Davis genannt worden. Darüber hinaus war er der Gründer von „Return to Forever“. Er wurde am 12.06.1941 in Massachusetts geboren, spielte bereits mit 6 Jahren Klavier und mit 8 Jahren Schlagzeug. 1967 machte er Aufnahmen mit Stan Getz und begann mit eigenen Formationen. Zwischen 1968-70 arbeitete er mit Miles Davis. Diese Zusammenarbeit, vor allem die Beteiligung an „In a silent Way“ und „Bitches Brew“ machte ihn zum internationalen Jazz-Star. 1970 war er als Komponist und Keyboarder mit der Band „Circle“ beschäftigt. Nach einer weiteren Zusammenarbeit mit Stan Getz formte er mit Stanley Clarke, Airto Moreira, die beide in der Band Getz´ spielten, sowie Moreiras Frau Flora Purim und Joe Farrell „Return to Forever“.(vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential Companion 111) Nach einigen Personalwechseln beendete diese Band 1980 ihr erfolgreiches Bestehen, startete aber 1983 eine Wiedervereinigungs-Tournee. Anfang der 80´er Jahre spielte er wieder öfter auf dem akustischen Piano und tourte weltweit mit zwei verschiedenen Duos, zum einen mit Gary Burton, zum anderen mit Herbie Hancock. Anschließend arbeitete er mit vielen bekannten Musikern. Unter ihnen waren Mike Brecker, Steve Gadd, Eddie Gomez, Roy Haynes, Miroslav Vitous, Keith Jarret, sowie Friedrich Gulda und unterschiedliche weitere klassische Musiker. Er nahm das Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Mozart auf und komponierte daraufhin 1985 ein eigenes Klavierkonzert. 1986 stieg er wieder auf elektrische Keyboards um und gründete mit jungen Musikern, die nach dieser Arbeit zu internationalen Stars wurden und ihre eigenen Bands leiteten, die „Chick Corea Electric Band“. John Patitucci am sechssaitigen Baß, Dave Weckl am Schlagzeug, Eric Marienthal am Saxophon und Frank Gambale an der Gitarre zählen mittlerweile selbst zu den bekanntesten Fusionmusikern. Aber auch in dieser Band gab es Umbesetzungen und Chick Corea nahm mit einigen der Mitglieder auch wieder akustische Platten auf. Corea gilt als einer der einflußreichsten Keyboardvirtuosen, Komponisten und Bandleader seit den späten 60´ern. Kompositionen wie „Spain“, „La Fiesta“, oder „What Games shall we play tonight“ gehören zum allgemeinen Repertoire eines jeden Jazzmusikers. Michael Brecker vertritt die Garde der Saxophonisten im Fusion. Außer seinem Hauptinstrument, dem Tenorsaxophon spielt er Flöte, Sopransaxophon, EWI und Klavier. Er wurde am 29.03.1949 in Philadelphia geboren. Sein Vater war Pianist und, wie seine Mutter auch, ein Jazzfan. Mike bevorzugte zunächst Rockmusik im Stil von „Cream“ und Jimi Hendrix. 1970 zog es ihn nach New York, wo sein Bruder Randy als Trompeter schon seit mehreren Jahren arbeitete. Von da an spielte er mit unterschiedlichen Musikern u.a. Billy Cobham oder Horace Silver, bis er zusammen mit seinem Bruder Randy die „Brecker Brothers“ gründete. Diese wurde zu einer der bekanntesten Fusion Bands der 70´er Jahre. Anfang der 80´er Jahre wurde er dann Mitglied der All-Star-Band „Steps Ahead“, die zunächst nur „Steps“ hieß. Diese Band bestand abgesehen von Brecker aus: Steve Gadd am Schlagzeug, Eddie Gomez am Bass und Mike Manieri am Vibraphon. Nach einiger Zeit wurde Steve Gadd durch Peter Erskine ersetzt. Die Band war sehr erfolgreich und tourte auf der ganzen Welt. Mike Brecker ist einer der talentiertesten Saxophonisten, der in der Lage ist sowohl einer Big-Band, als auch einer (kleinen) Formation seinen Stempel aufzudrücken. Zudem ist er einer der meist beschäftigten Studiomusiker, sicherlich der am meisten aufgenommene Saxophonist überhaupt seit 1975. (Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential companion 60) Der in Rochester, New York 1945 geborene Steve Gadd, nimmt eine ähnliche Position unter den Schlagzeugern ein. Er begann bereits als 11-jähriger Schlagzeugunterricht zu nehmen und studierte später am Eastman College in Rochester, wo er mit verschiedensten Formationen spielte und zum ersten mal auf Chick Corea traf. Nach dem College ging er zur Army und spielte dort in einer Militärband. Danach gehörte er einem Trio mit Tony Levin und Mike Holmes an, arbeitete im Verlauf jedoch zunehmend als Studiomusiker und bald als festes Mitglied in Chick Coreas „Return to Forever“. In den 70´ern und 80´ern tourte er außerdem mit Paul Simon und mit Al Di Meolas „Electric Rendezvous Band“. In dieser Zeit wollte nahezu jeder Schlagzeuger so klingen, wie Gadd. Er besitzt die Fähigkeit orchestrales und kompositorisches Denken auf einem Schlagzeug umzusetzen, hat gleichzeitig eine enorme Vorstellungskraft und die Fähigkeit zu „swingen“. Tanja Maria, Eric Clapton, Al Jareau und Michael Petrucciani waren weitere Stationen in der Karriere Gadds, der in den 90´ern etwas weniger arbeitete, aber immer noch zu den gefragtesten Schlagzeugern gehört. Zu den Vorbildern Gadds zählen Elvin Jones, Tony Williams, Jack de Johnette, Buddy Rich und Louie Bellson. (vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential companion 178) Jaco Pastorius machte den Weg frei, für eine neue Generation von Jazzbassisten. Er wurde am 01.12.1951 in Norristown, Pennsylvania geboren. Seit Vater war Schlagzeuger und Sänger. Zunächst wollte auch Jaco Schlagzeuger werden, spielte aber dazu Klavier, Saxophon und Gitarre. Er begann schon als Jugendlicher Arrangements für Big Bands zu schreiben. Im Alter von 17 Jahren begann er, nach einer Armoperation, E-Bass zu spielen. Der Baß wurde schnell zu seinem Hauptinstrument mit dem er bald caribische Musik auf Touristenschiffen spielte. In Florida spielte er Country und Westernmusik, sowie Soul und Reggae. Auch in seinen Hörgewohnheiten war er sehr flexibel, so gefiel ihm Max Roach genauso wie die „Beatles“ oder die „Rolling Stones“. In den frühen 70´ern spielte er mit Ira Sullivan und traf auf Paul Bley und Pat Metheny. 1975 verhalf ihm Bobby Colomby der Schlagzeuger von „Blood, Sweat and Tears“ dazu, eine erste Platte unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen. Daraufhin wurde er 1976 zu einem festen Mitglied von „Weather Report“. Joe Zawinul ließ sich durch das außergewöhnliche Spiel von Pastorius zu eindrucksvollen Kompositionen inspirieren. Nachdem er 1982 „Weather Report“ verlassen hatte, widmete er sich seiner Solokarierre, spielte Festivals, machte Aufnahmen mit seiner Big Band „Word of Mouth“ und zeigte immer wieder seine musikalische Vielfältigkeit. (vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential companion 385) Er revolutionierte den E-Bass, beherrschte den Umgang mit Flageoletts wie vor ihm keiner, spielte 16-tel Figuren in unglaublicher Geschwindigkeit und war zudem in der Lage sehr melodiöse Soli zu spielen. Indem er die Bünde aus seinem Instrument heraus nahm und mit Bootslack die Kerben auffüllte, entwickelte er den bundlosen Baß, dessen Sound dem eines Kontrabasses näher kommt. Der E- Baß wurde vor allem durch Jaco Pastorius zum beliebtesten Instrument des Fusion während den 70´er und 80´er Jahren. (vgl. Gridley, Jazz Styles 345) 1987 starb Pastorius an den Folgen einer Schußverletzung.

VII. Die zweite Generation der Fusion
Am Beispiel der Bands „Spyro Gyra“, „Seawind“, „Auracle“ und „Caldera“ soll die Einstellung und die Intention der Generation nach der ersten Phase der Fusion dargestellt werden. Diese Bands, die in der zweiten Hälfte der 70´er Jahre begannen als „Weather Report“ und andere Fusionformationen schon zahlreiche Veröffentlichungen zu verzeichnen hatten, waren bereits stark von Mc Laughlin, Corea und Co. beeinflußt. Man sprach in einem Atemzug von Miles Davis, Herbie Hancock, John Mc Laughlin, Frank Zappa und James Brown. Die Musik, die sie komponierten und spielten, hatte noch weniger mit Jazz zu tun als das bei ihren Vorgängern der Fall war, denn diese Leute waren mit Fusion und Funk aufgewachsen, nicht mit Bebop. Der kommerzielle Aspekt spielte jetzt ganz selbstverständlich eine entscheidende Rolle. Dies wirkte sich natürlich auf die Musik aus. Es durfte keine Langweile aufkommen, vor allem rhythmisch mußte immer etwas geschehen. Eingängige Melodien und manchmal auch Gesang vermischt mit Funk und ein wenig Swing waren das Rezept. Diese Musiker kannten sich im Business aus und wußten über Dinge wie Marketing und Promotion bescheid. (Vgl. Bloom, Second Generation of Fusion 22) Das man das tat, was die Zuhörer und somit die Plattenfirmen wollten, wird in einem Zitat des „Spyro Gyra“ Saxophonisten Jay Beckenstein deutlich. „We decided to try four disco singles , six soul things and six country singles and then when we had extra time we´d do some of our stuff. We knew our stuff wasn´t going to sell,...“.(Bloom, Second Generation 23) Beckenstein sollte sich irren, aber es veranschaulicht dennoch die Einstellung vieler dieser Musiker, die natürlich besonders bei Jazzmusikern, nicht zu unrecht auf Ablehnung stieß. Eine Methode war es, ein oder zwei hitverdächtige Songs auf ein Album zu bringen, und dadurch zu erreichen, daß der Käufer auch den Rest hört und eventuell Gefallen daran findet. Steve Tavaglione, der Saxophonist von „Caldera“ sah darin allerdings die Gefahr, daß die Band durch solche Songs, die nicht ihrer eigentlichen Arbeit entsprechen, falsch in der Öffentlichkeit repräsentiert sei. Zusätzlich besteht bei versierten Jazzmusikern die Gefahr, daß sie die kommerzielle Musik, aufgrund von Unterforderung, nicht besonders gut spielen. „The best thing for any artist with integrity is to maintain his own vision and try to sell that somehow. The music has to be the motivation-not big bucks.“, sagte „Calderas“ Gitarrist Jorge Struntz zu diesem Problem. (Bloom, Second Generation 24) Das Produzententeam Larry Rosen und Dave Grusin (GRP) spähte zu dieser Zeit bereits nach jungen ambitionierten Musikern, die Persönlichkeit und Individualität mitbringen. ein Jazzbackground hielt Rosen zwar für wichtig, aber nicht für unbedingt notwendig. So spielten diese Bands Musik die oftmals kaum noch als Jazz identifiziert werden konnte, aber auch nicht weit entfernt davon war.

VIII. Anmerkungen zur Fusionmusik
Das Jazzmusiker für Geld spielen und deshalb entsprechende Musik machen müssen, ist für einige nach wie vor etwas unfaßbares. Viele haben sich aber im Laufe der Zeit daran gewöhnt und für die Generation, die in den 80´ern und 90´ern Fusion spielt, ist der Vorwurf aus kommerziellen Gründen solche Musik zu machen, kaum zutreffend. Um wirklich viel Geld zu verdienen muß man schon eine bestimmte Art von Pop- oder Rockmusik spielen. Dennoch kann man negative Merkmale, die die kommerzielle Idee für die Musik mitbrachte, nicht leugnen. Die Musikindustrie nahm einen wichtigen Part bei der Durchsetzung des Fusion ein. Dies brachte einen permanenten Erfolgsdruck mit sich, dem die betroffenen Musiker ausgeliefert waren. Man mußte sich also den Erfordernissen des Marktes anpassen. (vgl. Jost. Sozialgeschichte des Jazz in den USA 232) Dies bedeutete in den meisten Fällen, daß man musikalische Mittel vereinfachte, auch wenn man eigentlich die Qualität steigern wollte. Die Elektrifizierung der Instrumente hing ebenfalls mit der Industrie zusammen, die durch den Verkauf von Verstärkern und allerlei Zusatzgeräten erheblich verbesserte Einnahmen verzeichnen konnten. Ein weiterer zu kritisierender Punkt ist die Hervorhebung der instrumentalen Virtuosität, da diese in nicht wenigen Fälle lediglich dazu diente musikalische Einfallslosigkeit zu überdecken. Zu den positiven Merkmalen zählt, daß man als Fusionmusiker üblicherweise nach wie vor seine Qualitäten als improvisierender Musiker unter Beweis stellen kann, was wohl für die meisten, abgesehen vom Gefallen an der Musik als Solches, der Hauptgrund ist Fusion zu spielen. Bereits in den 80´er Jahren war es so, daß der Jazz sich am Pop orientierte. Als Beispiel dient das Miles Davis Album „Tutu“. Die ursprüngliche Idee von Davis war es, einige Songs von Nik Kershaw, einem weißen Popmusiker, nachzuspielen. Marcus Miller, der zu jener Zeit Produzent und Bassist bei Davis war, verhinderte dies und schlug statt dessen vor, Songs von „Scritti Politti“ zu nehmen, da diese eine anspruchsvollere weiße Popmusik repräsentierten. Die Marsalis Brüder, die den traditionellen Jazz vertreten, protestierten und warfen Davis vor keinen Jazz mehr spielen zu können. Bei der Recherche über die musikalischen Vorlieben von Branford Marsalis stieß man allerdings ebenfalls auf eine Reihe von Rockbands. „Yes“, „Led Zeppelin“ und „Physical Graffiti“ gehörten zu seinen Favoriten und diese Einflüsse erleichterten ihm die Arbeit mit Sting bei dessen „Blue Turtles-Tournee“. (Lake, Fusion. A Way of Life 255) Jazz setzte sich schon immer aus vielen verschiedenen Quellen zusammen, daher ist es naheliegend auch die Popmusik einzubeziehen. In den Jahren des Bebop und selbst zu Zeiten der Avantgarde in den 60´er Jahren, bediente man sich bereits bei populärer Musik, sei es bei Musicals oder bei Popsängern wie Billie Holiday. Gunter Schuller und John Lewis waren die entscheidenden Personen, die aus dem Jazz, auf den zu früheren Zeiten noch getanzt wurde, eine seriöse-gediegene Musik machen wollten. Als Rock und Pop boomten, mußten sich die Jazzer entscheiden ob sie mitziehen oder eine andere Richtung einschlagen. Es gelang kaum einem von ihnen auf dem Rockmarkt mitzuhalten. Die wachsende Betonung von Jugendlichkeit, die durch die Medien ausgelöst wurde, erzeugte eine noch schärfere Trennung zwischen Rock und Jazz. Zu dieser Zeit, Ende der 60´er Jahre, war Rock die bevorzugte Stilrichtung bei den meisten Jugendlichen. Diejenigen Jazzmusiker, die Rock und Jazz verbinden wollten, mußte sich scharfen Kritiken aussetzten. In den 80´er Jahren stellte sich die Situation so dar, daß man um wirklich Geld zu verdienen zumindest einen Bezug zur Popmusik haben mußte. Ein Beispiel ist „Last Exit“. Ein Quartett, welches frei improvisierte Musik spielte und dennoch mit recht hohen Gagen honoriert wurde. Die Band um Bill Laswell, Peter Brötzmann, Sonny Sharrock und Shannon Jackson hatte dies den Tätigkeiten Laswells als Produzent für Mick Jagger, Motörhead u.a. zu verdanken, denn solche Namen wurde bei der Ankündigung von „Last Exit“ immer genannt und hatten ihre Wirkung auf die Zuschauer. Die anfänglichen Schwierigkeiten der Fusion hatten auch damit zutun, daß die Musik für die Masse des Rockpublikums immer noch zu anspruchsvoll war. Die beteiligten Musiker, die sich dessen bewußt waren gingen auf einige Kompromisse ein, die ihrer Musik aber oft mehr schadeten als das sie ihr nutzten. Es gibt jedoch auch genügend Beispiele von Leuten, die zunächst alle Elemente die vom Rock stammten ablehnten, später aber selbst damit arbeiteten. Charlie Haden war z.B. ein Verfechter des Free Jazz, der in früheren Jahren jeglichen Einsatz von elektrischen Instrumenten verabscheute. Er regte er sich darüber auf, mit Mike Brecker spielen zu sollen, da dieser ein Discospieler sei und ärgerte sich über Denardo Colemans elektrisches Schlagzeug. Heute ist er ein Fan von Brecker, mag die Möglichkeiten, die ein elektrisches Schlagzeug bietet und hat eigene Projekte mit Rockmusikern wie z.B. Iggy Pop. Jazzmusiker neigen häufig dazu die Rockmusik zu unterschätzen, da sie, was die technischen Fähigkeiten am Instrument angeht, tatsächlich oft unterfordert sind, wenn sie Rock spielen. Es gibt allerdings Dinge, die erst erlernt werden müssen. Eine Eigenschaft die Rockmusiker gegenüber Jazzmusikern auszeichnet ist es, auch einmal etwas wegzulassen, nicht alle Lücken voll zu spielen. Tony Williams gibt da ein gutes Beispiel ab. Bei Aufnahmen mit dem Hardrock-Gitarristen Ronnie Montrose fällt auf, daß er es nicht schafft die intuitive Einfachheit eines Rockdrummers zu erreichen (Lake, Fusion. A Way of Life 258). Williams ist nicht der Einzige, dem es so erging; oft waren Jazzmusiker verblüfft, wenn sie bei einer Rock-oder Popproduktion ihr Solo neu einspielen mußten, weil der Produzent oder die anderen Musiker nicht damit zufrieden waren. Viele reagierten aber auch positiv auf solche Gegebenheiten und beschäftigen sich anschließend genauer mit der Materie, was im allgemeinen dazu führte, daß man seinen musikalischen Horizont erweiterte und neue Ideen für seine eigene Arbeit bekam. Berühmte Jazzmusiker wie Charlie Parker ließen sich ebenfalls von vielen, verschiedensten Richtungen beeinflussen. Ende der 80´er war es weniger schwierig Stile zu vermischen. Die Etiketten Rock und Jazz, sowie Schwarz und Weiß erschienen nicht mehr so wichtig. Die Unterteilung richtete sich nun danach, ob die Musik für ein Konzertpublikum gedacht war oder für ein kommerzielles Video. Das äußere Erscheinungsbild des Interpreten wurde endgültig wichtiger als die Qualität der Musik. Musiker wie der dunkelhäutige Gitarrist Vernon Reid, der neben seiner Beschäftigung als Musiker, auch als Journalist/Kritiker für ein wichtiges New Yorker Magazin tätig ist und zudem einer Organisation für schwarze Musiker vorsteht, kämpfen gegen solche Bedingungen an. Tatsächlich schaffte er es mit seiner Band „Living Colour“, welche Einflüsse von Wes Montgomery über George Clinton mit Heavy Metal vermischten, für einige Zeit in die Charts zu gelangen. Als Prototyp eines modernen Musikers galt Ende der 80´er Jahre der schwedischen Bassist Jonas Hellborg. Er vertrat und vertritt die Generation von Musikern, die alles spielen können und es auch tun. Die Grenzen zwischen den Stilistiken sind fließend, alles wird mit allem vermischt. Heavy Metal und Hard Rock zum Beispiel, wurden lange Zeit von Jazzmusikern nicht ernst genommen. Man befand diese Stilbereiche als künstlerisch und ästhetisch fragwürdig. Leute wie Eddie Van Halen und Steve Vai sorgten mit ihrer virtuosen Technik und mit originellen Improvisationen dafür, daß viele ihre Meinung darüber änderte und statt dessen selbst Elemente des Hard Rock übernahmen. Der Bassist und Produzent Bill Laswell vertritt sogar die Ansicht, daß Jazz und Heavy Metal sich ähneln: „Die Art, wie Peter (Brötzmann) spielt, ist gar nicht so sehr verschieden von dem, was die Motörhead machen. Bei beiden ist viel Sound und viel Energie da. Wahrscheinlich wäre es schwierig, das einem Motörhead-Fan einerseits und einem Free-Jazz-Anhänger und Rock-Gegner andererseits zu erklären; aber ich hör es so...und das ist mein Problem“(Lake, Fusion. A Way of Life 262). Betrachtet man die Rock- und die Jazzszene, so findet man immerwieder Musiker, die beide Stile mögen und es auch schaffen, daraus ihren eigenen Stil abzuleiten. Ein Beispiel ist der lateinamerikanische Gitarrist Carlos Santana, der im Laufe seiner langen Karriere sowohl mit Jazzmusikern (Miles Davis, Dave Holland, Mc Coy Tyner), als auch mit Rockmusikern (Bob Dylan, Buddy Guy, Willie Nelson...) zusammenarbeitete. Seine Musik, die viele lateinamerikanische Elemente und Blues-Strukturen enthält ist wohl eher dem Rockbereich zuzuordnen, aber dennoch neigt er dazu, experimentierfreudige Musiker aus dem Jazz für seine Bands zu engagieren. Andere sind vom Jazz ohne Umschweife zur Pop-oder Soulmusik gekommen. Reggie Lucas, der der Miles Davis Platte „Aghartha“ mit einem peitschenden Gitarrenton seinen Stempel aufdrückte, zählte in den 80´er Jahren zum Produzenten- und Managerteam von Madonna. Michael Henderson war der erste E-Bassist bei Davis und spielte später Soulmusik. Es gibt noch viele solche Beispiele. Das Motiv mehr Geld verdienen zu wollen ist wohl als ein Hauptgrund für derartige Wechsel in die Popszene anzusehen. Die Honorare die beispielsweise Branford Marsalis, Omar Hakim, Darryl Jones und Kenny Kirkland als Band des Popsängers Sting erhielten, sind mit Jazz unerreichbar. Kommerzielle Gründe sind jedoch nicht allein ausschlaggebend für Jazzmusiker Rock oder Pop zu spielen. Es geht ihnen auch darum, neue Sachen auszuprobieren. Die Rockmusik (mit ihren verschiedenen Stilrichtungen), als ein Kind des Jazz, ist dabei eine wertvolle Quelle. (vgl. Lake, Fusion. A Way of Life 265)

Weitere Wissenschaftliche Arbeiten

Magisterarbeit im Fach Musikwissenschaft

J.S. Bach und das Lied (Musikgeschichte)

Pierre Boulez/Structure I A (Analyse/Musik des 20. Jahrhunderts-serielle Musik)

Cultural Studies und Musik (Musiksoziologie)

Musik der Zigeuner/Manouche in Frankreich (Musikethnologie)





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