I. Einleitung
Bereits die Namensdefinition für die Art von Musik, die ab den
70´er Jahren in den USA entstand und von dort aus ihren Weg über
den gesamten Globus machte ist sehr schwierig. Da sie sowohl Jazz-,
als auch Rockelemente beinhaltete, wurde sie als Jazz Rock oder Rock
Jazz bezeichnet. Bei dieser Bezeichnung gab es Meinungsverschiedenheiten
darüber, an welcher Stelle Jazz und an welcher Stelle somit Rock
stehen sollte. Sagte der Begriff Jazz Rock aus, daß es sich
hier in erster Linie um Jazz handelte, oder sagte er aus, daß
es sich um eine Form der Rockmusik handelt? Da der Begriff Jazz ohnehin
nicht besonders verkaufsförrdernd wirkte, entwickelte man andere
Begriffe, wie Crossover oder Fusion. Später verwendeten einige
die Bezeichnung Electric Jazz. Dieser Begriff beschreibt zwar eine
entscheidende Erneuerung, die die Musik hervorbrachte, verwendet aber
wiederum den Ausdruck Jazz. Im weiteren benutze ich den Begriff Fusion,
da er im Zusammenhang mit dieser Art Musik am häufigsten gebraucht
wird. Allerdings gilt es zu bedenken, daß Jazz schon immer Fusion
war. Unterschiedlichste Stile, mit afrikanischer, europäischer
oder lateinamerkanischer Herkunft, hatten schon lange vorher den Jazz
beeinflußt und geprägt und ihn überhaupt erst entstehen
lassen. Die Rockmusik war das neue Element, welches zusammen mit dem
Jazz, die Fusion, die hier beschrieben wird, ergab.
II. Geschichte
Fusion war der erste Jazzstil, nach der Zeit des Swing, der ähnlich
große Popularität erreichte. Die 70´er Jahre waren
hierfür das entscheidende Jahrzehnt, aber auch in den 80´ern
und 90´ern spalteten sich daraus Stile ab, die sehr wichtig für
den gesamten Musikmarkt waren und sind. Die 60´er Jahre kann
man zugleich als einen Höhepunkt und als einen Endpunkt der bis
dahin stattgefundenen Entwicklung in der Jazzmusik ansehen. Die Komplexität
dieser Musik war von der Art, wie sie zu Anfang des Jahrhunderts in
New Orleans gespielt wurde, über die verschiedenartigen Formen
wie Swing und Bebop, stetig gewachsen. Rhythmisch, harmonisch und
melodisch waren immer neue Ausdrucksformen hinzugekommen. (vgl. Finscher,
Fusion Sp. 1410) Im Free Jazz der 60´er Jahre versuchte man neue
Formen zu schaffen, sich von Konventionen zu lösen. Die übliche
Songform AABA und das oft benutzte Bluesschema wurden nicht mehr so
häufig benutzt. Die persönlichen Ausdrucksweisen standen
im Vordergrund. So gab es kaum einen verbindlichen Rhythmus. Die Betonung
war frei. Die Improvisation um ein tonales Zentrum, trat an die Stelle
eines harmonisch-formalen Aufbaus. Die bisherige Rollenverteilung
in Rhythmusgruppe und Solisten wurden weitgehend aufgehoben und die
ganze Klangfarbe veränderte sich. Man verwendete fremdartige
Tonleitern und atonale Elemente. Fusion bildete in den 70´ern
den Gegenpol zu dieser Bewegung. Man benutzte simple Formen und wollte
die Massen für diese Musik begeistern. Ein elitäres
Publikum, wie im Free Jazz, welches zudem meist aus Musikern bestand,
war nicht erwünscht. Mit der Lp Bitches Brew von
Miles Davis begann 1969 der Erfolg der Fusion. Davis übernahm
auf dieser Platte viele Elemente der Rockmusik. Etwa zur gleichen
Zeit gab es auch unter Rockmusikern erste Annäherungen an den
Jazz. Frank Zappa war einer der ersten Musiker, der beide Stile mischte.
Im Lager der Jazzmusiker war besonders die Musik von Jimi Hendrix
hoch angesehen. Der Einfluß von Miles Davis und der verschiedener
Musiker seiner Formationen auf die Fusionmusik war sehr groß.
Eine entscheidende Erneuerung im Fusion war der Einsatz von elektrischen
Instrumenten. Davis verwendete auf Bitches Brew drei Keyboards,
eine elektrische Gitarre und eine elektrische Bassgitarre. Durch die
Elektrifizierung erreichte man eine wesentlich höhere Lautstärke,
als zuvor mit den akustischen Instrumenten. Die Wirkung der Fusion
war auf der ganzen Welt sehr groß, da viele Platten verkauft
wurden und viele versuchten die angesagten Musiker nachzuahmen. Die
Annäherung von Jazz und Rock brachte auf beiden Seiten eine musikalische
Weiterbildung mit sich. (vgl. Finscher, Fusion Sp. 1411) Dadurch,
daß mehr Menschen die Musik konsumierten, entstanden auch neue
Auftrittsmöglichkeiten für die technisch versierten Jazzmusiker,
die nun auch Rock spielten. Eine ganze Generation von Musikern wurde
durch solche Leute inspiriert und geformt. Die Kommerzialisierung
hatte natürlich auch ihre Schattenseiten, so verflachte bei vielen
Fusionstars die Musik bereits nach ein oder zwei Lp´s, da man
nur das machte, was die Leute hören wollten und das bedeutete
im allgemeinen simple Formen, wenig Abwechslung und kaum Innovationen.
Einige Musiker, wie z.B. John Mc Laughlin, Chick Corea, Keith Jarrett
oder Herbie Hancock, wandten sich daher bald darauf einer Musik zu,
die eher akustisch, kammermusikalisch war und wieder mehr Improvisation
beinhaltete. Durch die Bekanntheit, welche diese Leute mit Fusion
erreicht hatten, wurden auch solche Konzerte von einer großen
Zuschauerzahl frequentiert. Im Laufe der Zeit entwickelten sich viele
verschiedene Fusion und Funkstile. Der Engländer John Mc Laughlin
schaffte es bereits 1969 auf seiner Platte Extrapolation
solch unterschiedliche Richtungen wie: Rock, Swing, Free Jazz und
bis dahin in der westlichen Welt eher unbekannte rhythmische Metren
zu vereinen. Extrapolation war ein richtungsweisendes
Zukunftssignal aus England, denn hier kamen die verfeindeten und entfremdeten
Stile Free Jazz und Beat Rock zusammen. (vgl. Schaal, Jazz-Rock 7)
Im Free Jazz waren bis zu diesem Zeitpunkt viele Sachen ausprobiert
worden. Es gab einen gewissen Leerlauf. Ebenso war die Rockmusik in
einer schwierigen Phase, da einige der wichtigsten Personen durch
Ereignisse die zumeist im Zusammenhang mit Drogenmißbrauch standen,
gestorben waren. Die gesprengten Räume des Free Jazz und die
Emotionen der Rockmusik ergaben miteinander kombiniert, neue Möglichkeiten,
so entwickelte sich in England der Art Rock. Dieser enthielt viele
verschiedene Elemente und definierte die Popmusik neu. Gruppen wie
Emerson, Lake and Palmer, Yes, Pink
Floyd oder Genesis, prägten bald die gesamte
Rock- und Popszene. Jazzmusiker spielten Fusion in einer anderen Art
und Weise. Die E-Gitarre wurde wie bereits zuvor in der Rockmusik
zu einem sehr wichtigen Instrument. Man übernahm die knurrenden
und atonalen Klänge, wobei vor allem Jimi Hendrix als Vorbild
diente. Die Parts, die normalerweise von Blech- und Holzbläsern
gespielt wurden, übernahm die E-Gitarre. Trompeten, Posaunen,
Klarinetten und Saxophone wurden damit weitgehend überflüssig,
wobei später vor allem Saxophone wieder häufiger benutzt
wurden. Die einflußreichsten Gitarristen des Fusion sind bis
heute: John Mc Laughlin, Al Di Meola, Larry Corryell, Sonny Sharrock,
Pat Metheny und John Abercrombie. Desweiteren wurden Schlagzeug und
Baß zu gleichwertigen Partnern der Harmonieinstrumente. Drummer
wie Billy Cobham, Alphonze Mouzon, Tony Williams und Lenny White spielten
mit der Wucht eines Rockdrummers und beherrschten gleichzeitig die
filligrane Technik eines Jazzdrummers. Die Einführung des E-Bass
änderte die Rolle des Baß im Jazz, der bis dahin hauptsächlich
begleitende Walking-Linien gespielt hatte, beträchtlich. Man
war laut, spielte schnell und war immer präsent. Entscheidende
Innovatoren waren vor allem Jaco Pastorius und Stanley Clarke. Bei
der allgemein gestiegenen Lautstärke und dem hohen Tempo, wollten
auch die Pianisten nicht nachstehen. Anstatt akustischer Flügel
und Klaviere benutzte man E-Pianos und Synthesizer. Joe Zawinul, Jan
Hammer, Chick Corea, Herbie Hancock und George Duke sind die wichtigsten
Vertreter. Die Bands dieser Ära wurden nicht mehr einfach nach
ihrem Bandleader benannt. Return to Forever, Mahavishnu
Orchestra und Weather Report gehören zu den
bekanntesten. Bereits Mitte der 70´er Jahre gab es viele verschiedene
Ableger. Von einem einheitlichen Stil konnte man nicht mehr sprechen.
Die Crusaders und die Brecker Brothers mischten
ihre Fusion mit schwarzem Funk. Einige andere ästhetisierten
die Musik auf eine romantische Art und Weise. Zu ihnen gehörten
Pat Metheny, David Sanborn und Grover Washington jr. Solche Musik
verflachte aber oft zur Entspannungsmusik und ist auch heute oft in
Fahrstühlen und ähnlich beunruhigenden Plätzen zu hören.
Eine Gegenbewegung fand Ende der 70´er statt, als Ornette Colemans
Prime Time und einige andere Musiker Stilarten wie Punk
Jazz, Free Funk oder No Wave spielten. Ronald Shannon Jackson, Jamaladeen
Tacuma und James Blood Ulmer waren Colemans Mitstreiter. Weitere Bands
waren Defunkt und Last Exit, die aber jeweils
nur eine von vielen Stilrichtungen repräsentierten. In den 80´ern
spielten Produktionen des Produzententeams Larry Rosen und Dave Grusin
(GRP) eine zentrale Rolle in der Fusionmusik. Diese bewegten sich
jedoch am äußeren Rand des Jazzspektrums. Man bezeichnet
die Musik oft als Pop Fusion. Die Jazz Rock Fusion im eigentlichen
Sinn gibt es wohl seit Mitte der 70´er Jahre nicht mehr (vgl.
Schaal, Jazz-Rock 10), aber die Musiker dieser Zeit und ihre Erben
spielen auch am Ende der 90´er Jahre noch eine wichtige Rolle,
sowohl als Virtuosen und Studiomusiker, als auch als stilübergreifende
Musiker in einer Zeit in der alle musikalischen Stile gemischt werden.
III. Vorläufer der Fusion
Bereits Mitte der 60´er Jahre gab es einige Bands, die man als
Vorläufer bezeichnen kann. 1966 spielte der Gitarrist Larry Coryell
mit seiner Formation The Free Spirits. Ein Jahr später
war er Mitglied in einem Quartett mit dem Vibraphonisten Gary Burton.
Diese Bands spielten Jazz und Rock. Größere Popularität
erreichten aber Blood Sweat and Tears und 1968 die siebenköpfige
Band Chicago. Diese Gruppen verwendeten Hornsections,
welche meistens aus einer Trompete, einem Saxophon und einer Posaune
bestanden. Musikjournalisten nannten die Musik wohl in erster Linie
aufgrund dieser Tatsache Jazz Rock. Die Bläserarrangements von
Chicago und Blood Sweat and Tears erinnern
allerdings mehr an diejenigen von Rhythm and Blues Bands der 50´er
Jahre. James Brown und die Motown-Hornsections dienten
hier als Vorbild. Kurze improvisierte Soli waren das Einzige, was
bei diesen Bands mit Jazz zu tun hatte, auch wenn einige der Mitglieder
vorher in Jazzbands gespielt hatten oder von Jazzmusikern inspiriert
waren. Blood, Sweat and Tears was a highly profesional and creative
group of musicians who performed several different styles of popular
music; but, they did not necessarily demonstrate a fusion of jazz
with rock. (Gridley, Jazz Styles 329) Die Bands mit Larry Coryell,
Gary Burton und Mike Nock kamen diesem Anspruch wesentlich näher.
Den größten Schritt in diese Richtung machten aber die
Formationen von Miles Davis und die seiner Mitmusiker.
IV. Miles Davis
Die innovativen Ideen des Trompeters und Bandleaders Miles Davis waren
es, die den Fusion aus Jazz und Rock bekannt machten. Seine Lp´s
Bitches Brew und In a silent way gelten als
Ouvertüre zur Fusionmusik.(vgl. Schaal Jazz-Rock
7). Diese Platten enthielten ausgedehnte Bläsersoli, Kollektivimprovisation
und modale Spielkonzepte aus dem Free Jazz. Rockelemente waren noch
nicht in großem Umfang vorhanden. Gitarre, Baß, Schlagzeug
und Keyboards fungierten noch als echte Rhythm section.
Aber bereits auf den drei folgenden Veröffentlichungen von Davis
änderte sich dies. Jack Johnson, Live Evil
und On the Corner klangen sehr rockig. Danach legte Miles
Davis eine fünfjährige Schaffenspause ein. Schon vor den
Aufnahmen zu Bitches Brew hatte sich angedeutet, daß
Davis andere Stilarten in seine Musik zu integrieren versuchte. In
seinem Quintett, welches er von 1964-1968 leitete, tauchten Elemente
aus Rock und Funk auf. Der Drummer Tony Williams spielte damals schon
gelegentlich im Stil eines Rockdrummers. Auch Bassist Ron Carter benutzte
manchmal sich wiederholende Bassfiguren, die aus der Rockmusik stammen
und nicht unbedingt Jazztypisch sind. Das Album Filles de Kilimanjaro
aus dem Jahr 1968, signalisierte eindeutig, daß Davis sich vom
Jazz weg bewegte. (vgl. Gridley, Jazz Styles 331) Die Instrumentierung
wandelte sich ab 1968. Es wurden vorwiegend elektrische Instrumente
benutzt. Drums und Baß verwendeten Rock-, Jazz- und Latinrhythmen
und die Songs wurden auf sich wiederholende Figuren aufgebaut. Das
Spiel über Changes war nicht mehr Hauptbestandteil der Musik.
Die Melodien waren weniger komplex, während die Rhythmen immer
vielfältiger wurden und der Baß zum Dreh-und Angelpunkt
avancierte, nach dem sich die anderen Musiker richteten. In dieser
Zeit, von 1968-1973 wechselte Davis öfter seine Besetzung als
zuvor. Die Musiker wechselten bei jeder Platte und auch Live spielte
er häufig mit anderen Leuten, als auf der entsprechenden Lp.
Davis änderte auch seinen eigenen Trompetensound. Das Legatospiel,
was ihn vor allem zu Zeiten des Cool Jazz auszeichnete, seine sanften,
(cool) gespielten Soli wurden bei einigen Stücken durch schnelles
Spiel mit reichlich hohen Tönen und verschiedenen Effekten (Wah
Wah, Hall...) ersetzt. Damit erinnerte er an den Sound von Rockgitarristen.
Die Komplexität und der musikalische Anspruch hob diese Musik
von der Rockmusik jener Zeit ab. Jazz, Funk, indische und lateinamerikanische
Bestandteile, der Geist von John Coltrane und die Klangfarbe des Rock
zeichneten seine Musik aus. (Gridley, Jazz Styles 335) In den 80´er
Jahren experimentierte er mit sich stetig wiederholenden Trompetenlicks,
die zuvor mit Synthesizer und Computer erstellt worden waren. Diese
Arbeit verrichteten seine Produzenten Robert Irving III und Marcus
Miller,- der auch Mitglied in Davis´ Band war und sich neben
seiner Tätigkeit als Produzent auch als Songwriter und vor allem
als ein vielseitiger und virtuoser E-Basspieler einen ausgezeichneten
Ruf verschaffte. Die Musik, die Davis zu dieser Zeit machte war oft
bis ins kleinste Detail durcharrangiert. Sie war nicht so verwegen
und ungestüm, wie in den 70´ern und dennoch hob sie sich
gegenüber den meisten Rock-und Popproduktionen dieser Zeit weit
ab. Fast alle Platten des Fusion der 70´er Jahre, die hohe Verkaufszahlen
aufweisen konnten und musikalisch von Bedeutung waren stammten von
Musikern, die vorher einer Miles Davis Formation angehörten.
Hier sind vor allem die Pianisten, bzw. Keyboarder Joe Zawinul, Chick
Corea und Herbie Hancock, der Saxophonist Wayne Shorter und die Drummer
Tony Williams und Jack de Johnette zu erwähnen. Herbie Hancock
machte seine Lp Headhunters zu dem bis dahin meist verkauftesten
Jazzalbum überhaupt. Jack de Johnette und Dave Holland gründeten
zusammen mit dem Gitarristen John Abercrombie die erfolgreiche Formation
Gateway. Eine der erfolgreichsten Bands der Fusion wurde
von Wayne Shorter, der bereits bei Miles Davis viele Kompositionen
beigesteuert hatte und Joe Zawinul, der entscheidenden Anteil an der
Elektrifizierung der Bitches Brew Band hatte, ins Leben
gerufen. Weather Report hatte großen kommerziellen
Erfolg mit einfachen Melodien und griffigen Strukturen. Black
Market und Birdland wurden zu Superhits des Fusion.
Von erheblicher Bedeutung war die Rhythm section. Man spielte zunächst
mit zwei Drummern, wobei einer (Airto Moreira) exotische Percussionsinstrumente
verwendete. Der erste Bassist von Weather Report war Miroslav
Vitous. Er beherrscht intelligentes, melodisches Spiel ebenso wie
syncopierte, rhythmische Fragmente und spielt außerdem sehr
gut mit dem Bogen. Durch diese Zusammenstellung von Musikern klang
Weather Report einzigartig mit einem Gemisch aus vielen
verschiedenen Stilen. Mitte der 70´er Jahre verließ Vitous
die Band. Er wurde durch Jaco Pastorius ersetzt, welcher mit seiner
bis zu diesem Zeitpunkt unvorstellbaren Technik am E-Bass, zum Ideal
einer ganzen Generation von Bassisten wurde. (vgl. Schaal, Jazz Geschichte
8) Die Instrumente wurden so eingesetzt, daß jeder in der Band
auf seinem Instrument die Melodie übernehmen konnte und jeder
genauso rhythmische Figuren und Fills spielen durfte. Dies war nicht,
wie vorher im Jazz üblich, auf einzelne Instrumente beschränkt.
Manchmal war kaum zu erkennen, ob einer der Musiker gerade ein Solo
spielte, da alles variierte und fließend ineinander überging.
Die einzelnen Musiker spielten sehr banddienlich. Es ging darum den
Bandsound zu optimieren, nicht darum sich selbst darzustellen. Stimmungen
und Sound-Strukturen waren in der Musik von Weather Report
sehr vielfältig. (Gridley, Jazz Styles 344) Eine zweite wichtige
Band war das Mahavishnu Orchestra, welches von John Mc
Laughlin ins Leben gerufen wurde. Weitere Musiker waren Jan Hammer
an den Keyboards, Jerry Goodman spielte Violine, Billy Cobham bediente
die Drums und Rick Laird den Baß. Die Band experimentierte mit
komplizierten Rhythmusadditionen und Strukturüberlagerungen,
Hochgeschwindigkeits-Improvisationen und Trance-Rhythmen. Man bewegte
sich irgendwo zwischen Art Rock und Electric Jazz. Später wurde
Jerry Goodman durch Jean-Luc Ponty ersetzt, aber die Musik verlor
an interessanten Innovationen. Die dritte Formation, die im Zusammenhang
mit Fusion und Miles Davis unbedingt erwähnt werden muß,
ist die Band des Keyboarders Chick Corea. Return to Forever
bestand aus: Stanley Clarke am Baß, Joe Farrell an der Querflöte,
Airto Moreira Percussion und Flora Purim am Gesang. Der Gesamtsound
der Band war Anfangs sehr ruhig und experimentell, mit vielen spanisch
inspirierten Melodien. In späteren Besetzungen wurden solche
Elemente, durch hochvirtuose Improvisationen ersetzt. Dies wurde durch
die Hinzunahme des Gitarristen Al Di Meola, der die Vorliebe von Chick
Corea für flamenco-geprägten, temporeichen Jazz Rock teilte,
zusätzlich verstärkt. Auch die Musiker, die erst in den
80´er Jahren mit Miles Davis spielten, zählen heute zu den
gefragtesten Instrumentalisten, sowohl als Bandleader, als auch als
Sessionmusiker. Bassist und Produzent Marcus Miller ist einer davon.
Er arbeitet z.B. mit Dave Sanborn und hat großen Erfolg mit
seinen eigenen CD´s. Weitere sind der Gitarrist Mike Stern, der
zum Vorbild vieler aufstrebender Jazzgitarristen wurde und der Saxophonist
Bill Evans,der in jüngster Zeit sehr erfolgreich Hip Hop- und
Rap-elemente mit Jazz und Rock vermischte. Die Liste derer die einer
Formation von Miles Davis angehörten und daraufhin selbst zu
berühmten Musiker wurden, ließe sich fortführen. Natürlich
spielten nicht alle für den Fusion wichtigen Musiker mit Davis
und einige von den genannten auch nur recht kurz. Dennoch ist der
Einfluß von Davis, auch auf diesen Jazzstil, als sehr hoch einzuschätzen.
V. Unterscheidungsmerkmale von Jazz zu Rock und Funk
Um auf die Vermischung von Jazz, Rock und Funk einzugehen, ist es
notwendig, zunächst einiges über jeden einzelnen Stilbereich
zu wissen und dadurch die Unterschiede der verschiedenen Musikstile
erkennen zu können. Zu diesem Zweck seien zunächst neun
Punkte aufgeführt, die für die Bereiche Rock und Funk typisch
sind, jedoch für Jazz eher untypisch: 1. kurze Phrasen 2. wenig
Akkordwechsel 3. keine komplexe Melodik 4. keine komplexe Harmonik
5. wenig Improvisation, vor allem bei den Begleitinstrumenten 6. häufige
Wiederholung von melodischen Phrasen 7. häufige Wiederholung
kurzer Akkordfortschreitungen 8. einfache, sich häufig wiederholende
Schlagzeugpatterns 9. klar definierte Wiederholungen der Bassfiguren
(vgl. Gridley, Jazz Styles 325). Das sogenannte rhythmische Gefühl
wird im Jazz anders definiert als im Rock und Funk. Während der
Jazzmusiker Flexibilität und Entspannung anstrebt, kommt es im
Rock mehr auf Intensität und Solidität an. Man spielt straight
und benutzt zumeist binäre Rhythmen. Im Jazz sind ternäre
Figuren üblich, um das charakteristische Swingfeeling zu erzeugen.
Was das Instrumentarium angeht, so neigen Jazzmusiker öfter dazu
akustische Instrumente zu verwenden. Jazz, Rock und Funk haben gemeinsame
Wurzeln im Blues und im Gospel, aber ihre musikalische Entwicklung
verlief unterschiedlich. Jazz ist zum größten Teil instrumental.
Im Rock und im Funk ist Gesang üblich, dazu kommen einfache Kompositionsformen,
wie 12-taktige Bluesschemen oder andere Formen mit nur vier verschiedenen
Akkorden und ähnliches. Diese und andere Aspekte machten Rock
und Funk zu einer Musik für ein Massenpublikum. Jazz dagegen
erhielt einen Status ähnlich dem der klassischen Kammermusik,
da das Publikum oft klein und spezialisiert war und ist. Religiöse
Musik beeinflußte in größerem Umfang die Rockmusik,
da hier die Botschaft über die Texte transportiert werden konnte.
Betrachtet man die Fusionmusik im Zusammenhang mit der Entwicklung
von populärer Musik so fällt auf, daß eher schwarze
Musik wie Soul und Funk, also Stile, die dem Rhythm and Blues
und der Gospelmusik entstammen, adaptiert wurden. Der Rock´n
Roll der Weißen wurde weniger berücksichtigt.
Somit scheint die Bezeichnung Jazz Funk Fusion korrekter zu sein,
als Jazz Rock Fusion.
VI. Biographien
Um Fusion besser verstehen zu können, ist es hilfreich einige
der wichtigen Musiker auf ihre musikalische Laufbahn hin, etwas genauer
zu betrachten. Dabei habe ich mich für fünf Instrumentalisten
entschieden, die für viele aufstrebende Musiker als Vorbild fungieren.
Sie vertreten die fünf wohl elementarsten Instrumente des Fusion,
nämlich Schlagzeug, E-Bass, E-Gitarre, Keyboard und Saxophon.
Beginnen will ich mit dem britischen Gitarristen John Mc Laughlin,
dessen Name im Zusammenhang mit Miles Davis und im Zusammenhang mit
dem Mahavishnu Orchestra bereits häufiger gefallen
ist. Mc Laughlin wurde am 04.01.1942 in Yorkshire geboren. Seine Mutter
spielte Violine und auch seine Geschwister waren allesamt Musiker.
Im Alter von 9 Jahren erhielt er Klavierunterricht, brachte sich aber
das meiste selbst bei. Mit 11 Jahren begann er Gitarre zu spielen.
Bluesmusiker wie Muddy Waters und Big Bill Broonzy dienten als Vorbilder.
Später bevorzugte er Django Reinhardt, Stephane Grappelli und
Tal Farlow. Anfang der 60´er Jahre zog er nach London, wo er
mit Alexis Corner, Graham Bond, Eric Clapton, Ginger Baker und anderen
spielte. (vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The Essential Companion
313) Ebenfalls in den 60´ern spielte er zusammen mit Gunter Hampel
in Deutschland Free Jazz. 1969 nahm er mit John Surman, Tony Oxley
und Brian Odges das für den Fusion wegweißende Album Extrapolation
auf. Danach ging er nach New York, wo er Mitglied bei Lifetime,
der Band von Tony Williams wurde und schließlich mit Miles Davis
In a silent Way und Bitches Brew aufnahm.
Das Mahavishnu Orchestra gründete er 1971. John Mc
Laughlin wurde mit seinem hohen technischen Niveau zu einem der bedeutendsten
Jazzgitarristen seit Wes Montgomery. Sein Gitarrenton entsprach dabei
nicht dem Idiom des Jazz, er war hart und metallisch, wie in der Rockmusik.
(vgl. Gridley, Jazz Styles 335) Seine rhythmischen und melodischen
Konzepte ähneln eher klassischer Musik und den Improvisationen
John Coltranes in den 60´ern, als den üblichen Bebopmustern.
Indische Musik, mit der Mc Laughlin sich intensiv beschäftigte,
spielte eine wichtige Rolle. Ab 1973 spielte er dann auch mit indischen
Musikern in der Band Shakti, wo er die akustische Gitarre
im Zusammenspiel mit Violine, Tabla und Mridanga einsetzte. In den
späten 70´ern und Anfang der 80´er Jahre spielte er
wieder zunehmend elektrisch und nahm Platten mit Gitarristen wie Paco
de Lucia, Al Di Meola, Larry Coryell und Christian Escoude auf. 1984
spielte er mit Bill Evans und war bei einigen Stücken auf der
Miles Davis Lp You´re under arrest beteiligt. Nach
Aufnahmen mit den Los Angeles Philharmonikern 1985 spielte er in unterschiedlichen
Besetzungen unter seinem eigenen Namen z.B. mit dem indischen Musiker
Trilok Gurtu und dem deutschen Bassisten Kai-Eckhardt-Karpeh. Ein
Glanzpunkt war sein Duo mit dem schwedischen Bassisten Jonas Hellborg
in den 90´ern. Der Name des Keyboarders und Pianisten Chick Corea
ist ebenfalls im Zusammenhang mit Miles Davis genannt worden. Darüber
hinaus war er der Gründer von Return to Forever.
Er wurde am 12.06.1941 in Massachusetts geboren, spielte bereits mit
6 Jahren Klavier und mit 8 Jahren Schlagzeug. 1967 machte er Aufnahmen
mit Stan Getz und begann mit eigenen Formationen. Zwischen 1968-70
arbeitete er mit Miles Davis. Diese Zusammenarbeit, vor allem die
Beteiligung an In a silent Way und Bitches Brew
machte ihn zum internationalen Jazz-Star. 1970 war er als Komponist
und Keyboarder mit der Band Circle beschäftigt. Nach
einer weiteren Zusammenarbeit mit Stan Getz formte er mit Stanley
Clarke, Airto Moreira, die beide in der Band Getz´ spielten,
sowie Moreiras Frau Flora Purim und Joe Farrell Return to Forever.(vgl.
Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential Companion 111) Nach
einigen Personalwechseln beendete diese Band 1980 ihr erfolgreiches
Bestehen, startete aber 1983 eine Wiedervereinigungs-Tournee. Anfang
der 80´er Jahre spielte er wieder öfter auf dem akustischen
Piano und tourte weltweit mit zwei verschiedenen Duos, zum einen mit
Gary Burton, zum anderen mit Herbie Hancock. Anschließend arbeitete
er mit vielen bekannten Musikern. Unter ihnen waren Mike Brecker,
Steve Gadd, Eddie Gomez, Roy Haynes, Miroslav Vitous, Keith Jarret,
sowie Friedrich Gulda und unterschiedliche weitere klassische Musiker.
Er nahm das Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Mozart
auf und komponierte daraufhin 1985 ein eigenes Klavierkonzert. 1986
stieg er wieder auf elektrische Keyboards um und gründete mit
jungen Musikern, die nach dieser Arbeit zu internationalen Stars wurden
und ihre eigenen Bands leiteten, die Chick Corea Electric Band.
John Patitucci am sechssaitigen Baß, Dave Weckl am Schlagzeug,
Eric Marienthal am Saxophon und Frank Gambale an der Gitarre zählen
mittlerweile selbst zu den bekanntesten Fusionmusikern. Aber auch
in dieser Band gab es Umbesetzungen und Chick Corea nahm mit einigen
der Mitglieder auch wieder akustische Platten auf. Corea gilt als
einer der einflußreichsten Keyboardvirtuosen, Komponisten und
Bandleader seit den späten 60´ern. Kompositionen wie Spain,
La Fiesta, oder What Games shall we play tonight
gehören zum allgemeinen Repertoire eines jeden Jazzmusikers.
Michael Brecker vertritt die Garde der Saxophonisten im Fusion. Außer
seinem Hauptinstrument, dem Tenorsaxophon spielt er Flöte, Sopransaxophon,
EWI und Klavier. Er wurde am 29.03.1949 in Philadelphia geboren. Sein
Vater war Pianist und, wie seine Mutter auch, ein Jazzfan. Mike bevorzugte
zunächst Rockmusik im Stil von Cream und Jimi Hendrix.
1970 zog es ihn nach New York, wo sein Bruder Randy als Trompeter
schon seit mehreren Jahren arbeitete. Von da an spielte er mit unterschiedlichen
Musikern u.a. Billy Cobham oder Horace Silver, bis er zusammen mit
seinem Bruder Randy die Brecker Brothers gründete.
Diese wurde zu einer der bekanntesten Fusion Bands der 70´er
Jahre. Anfang der 80´er Jahre wurde er dann Mitglied der All-Star-Band
Steps Ahead, die zunächst nur Steps hieß.
Diese Band bestand abgesehen von Brecker aus: Steve Gadd am Schlagzeug,
Eddie Gomez am Bass und Mike Manieri am Vibraphon. Nach einiger Zeit
wurde Steve Gadd durch Peter Erskine ersetzt. Die Band war sehr erfolgreich
und tourte auf der ganzen Welt. Mike Brecker ist einer der talentiertesten
Saxophonisten, der in der Lage ist sowohl einer Big-Band, als auch
einer (kleinen) Formation seinen Stempel aufzudrücken. Zudem
ist er einer der meist beschäftigten Studiomusiker, sicherlich
der am meisten aufgenommene Saxophonist überhaupt seit 1975.
(Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential companion 60) Der
in Rochester, New York 1945 geborene Steve Gadd, nimmt eine ähnliche
Position unter den Schlagzeugern ein. Er begann bereits als 11-jähriger
Schlagzeugunterricht zu nehmen und studierte später am Eastman
College in Rochester, wo er mit verschiedensten Formationen spielte
und zum ersten mal auf Chick Corea traf. Nach dem College ging er
zur Army und spielte dort in einer Militärband. Danach gehörte
er einem Trio mit Tony Levin und Mike Holmes an, arbeitete im Verlauf
jedoch zunehmend als Studiomusiker und bald als festes Mitglied in
Chick Coreas Return to Forever. In den 70´ern und
80´ern tourte er außerdem mit Paul Simon und mit Al Di
Meolas Electric Rendezvous Band. In dieser Zeit wollte
nahezu jeder Schlagzeuger so klingen, wie Gadd. Er besitzt die Fähigkeit
orchestrales und kompositorisches Denken auf einem Schlagzeug umzusetzen,
hat gleichzeitig eine enorme Vorstellungskraft und die Fähigkeit
zu swingen. Tanja Maria, Eric Clapton, Al Jareau und Michael
Petrucciani waren weitere Stationen in der Karriere Gadds, der in
den 90´ern etwas weniger arbeitete, aber immer noch zu den gefragtesten
Schlagzeugern gehört. Zu den Vorbildern Gadds zählen Elvin
Jones, Tony Williams, Jack de Johnette, Buddy Rich und Louie Bellson.
(vgl. Carr, Fairweather, Priestley, Jazz. The essential companion
178) Jaco Pastorius machte den Weg frei, für eine neue Generation
von Jazzbassisten. Er wurde am 01.12.1951 in Norristown, Pennsylvania
geboren. Seit Vater war Schlagzeuger und Sänger. Zunächst
wollte auch Jaco Schlagzeuger werden, spielte aber dazu Klavier, Saxophon
und Gitarre. Er begann schon als Jugendlicher Arrangements für
Big Bands zu schreiben. Im Alter von 17 Jahren begann er, nach einer
Armoperation, E-Bass zu spielen. Der Baß wurde schnell zu seinem
Hauptinstrument mit dem er bald caribische Musik auf Touristenschiffen
spielte. In Florida spielte er Country und Westernmusik, sowie Soul
und Reggae. Auch in seinen Hörgewohnheiten war er sehr flexibel,
so gefiel ihm Max Roach genauso wie die Beatles oder die
Rolling Stones. In den frühen 70´ern spielte
er mit Ira Sullivan und traf auf Paul Bley und Pat Metheny. 1975 verhalf
ihm Bobby Colomby der Schlagzeuger von Blood, Sweat and Tears
dazu, eine erste Platte unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen.
Daraufhin wurde er 1976 zu einem festen Mitglied von Weather
Report. Joe Zawinul ließ sich durch das außergewöhnliche
Spiel von Pastorius zu eindrucksvollen Kompositionen inspirieren.
Nachdem er 1982 Weather Report verlassen hatte, widmete
er sich seiner Solokarierre, spielte Festivals, machte Aufnahmen mit
seiner Big Band Word of Mouth und zeigte immer wieder
seine musikalische Vielfältigkeit. (vgl. Carr, Fairweather, Priestley,
Jazz. The essential companion 385) Er revolutionierte den E-Bass,
beherrschte den Umgang mit Flageoletts wie vor ihm keiner, spielte
16-tel Figuren in unglaublicher Geschwindigkeit und war zudem in der
Lage sehr melodiöse Soli zu spielen. Indem er die Bünde
aus seinem Instrument heraus nahm und mit Bootslack die Kerben auffüllte,
entwickelte er den bundlosen Baß, dessen Sound dem eines Kontrabasses
näher kommt. Der E- Baß wurde vor allem durch Jaco Pastorius
zum beliebtesten Instrument des Fusion während den 70´er
und 80´er Jahren. (vgl. Gridley, Jazz Styles 345) 1987 starb
Pastorius an den Folgen einer Schußverletzung.
VII. Die zweite Generation der Fusion
Am Beispiel der Bands Spyro Gyra, Seawind,
Auracle und Caldera soll die Einstellung und
die Intention der Generation nach der ersten Phase der Fusion dargestellt
werden. Diese Bands, die in der zweiten Hälfte der 70´er
Jahre begannen als Weather Report und andere Fusionformationen
schon zahlreiche Veröffentlichungen zu verzeichnen hatten, waren
bereits stark von Mc Laughlin, Corea und Co. beeinflußt. Man
sprach in einem Atemzug von Miles Davis, Herbie Hancock, John Mc Laughlin,
Frank Zappa und James Brown. Die Musik, die sie komponierten und spielten,
hatte noch weniger mit Jazz zu tun als das bei ihren Vorgängern
der Fall war, denn diese Leute waren mit Fusion und Funk aufgewachsen,
nicht mit Bebop. Der kommerzielle Aspekt spielte jetzt ganz selbstverständlich
eine entscheidende Rolle. Dies wirkte sich natürlich auf die
Musik aus. Es durfte keine Langweile aufkommen, vor allem rhythmisch
mußte immer etwas geschehen. Eingängige Melodien und manchmal
auch Gesang vermischt mit Funk und ein wenig Swing waren das Rezept.
Diese Musiker kannten sich im Business aus und wußten über
Dinge wie Marketing und Promotion bescheid. (Vgl. Bloom, Second Generation
of Fusion 22) Das man das tat, was die Zuhörer und somit die
Plattenfirmen wollten, wird in einem Zitat des Spyro Gyra
Saxophonisten Jay Beckenstein deutlich. We decided to try four
disco singles , six soul things and six country singles and then when
we had extra time we´d do some of our stuff. We knew our stuff
wasn´t going to sell,....(Bloom, Second Generation 23)
Beckenstein sollte sich irren, aber es veranschaulicht dennoch die
Einstellung vieler dieser Musiker, die natürlich besonders bei
Jazzmusikern, nicht zu unrecht auf Ablehnung stieß. Eine Methode
war es, ein oder zwei hitverdächtige Songs auf ein Album zu bringen,
und dadurch zu erreichen, daß der Käufer auch den Rest
hört und eventuell Gefallen daran findet. Steve Tavaglione, der
Saxophonist von Caldera sah darin allerdings die Gefahr,
daß die Band durch solche Songs, die nicht ihrer eigentlichen
Arbeit entsprechen, falsch in der Öffentlichkeit repräsentiert
sei. Zusätzlich besteht bei versierten Jazzmusikern die Gefahr,
daß sie die kommerzielle Musik, aufgrund von Unterforderung,
nicht besonders gut spielen. The best thing for any artist with
integrity is to maintain his own vision and try to sell that somehow.
The music has to be the motivation-not big bucks., sagte Calderas
Gitarrist Jorge Struntz zu diesem Problem. (Bloom, Second Generation
24) Das Produzententeam Larry Rosen und Dave Grusin (GRP) spähte
zu dieser Zeit bereits nach jungen ambitionierten Musikern, die Persönlichkeit
und Individualität mitbringen. ein Jazzbackground hielt Rosen
zwar für wichtig, aber nicht für unbedingt notwendig. So
spielten diese Bands Musik die oftmals kaum noch als Jazz identifiziert
werden konnte, aber auch nicht weit entfernt davon war.
VIII. Anmerkungen zur Fusionmusik
Das Jazzmusiker für Geld spielen und deshalb entsprechende Musik
machen müssen, ist für einige nach wie vor etwas unfaßbares.
Viele haben sich aber im Laufe der Zeit daran gewöhnt und für
die Generation, die in den 80´ern und 90´ern Fusion spielt,
ist der Vorwurf aus kommerziellen Gründen solche Musik zu machen,
kaum zutreffend. Um wirklich viel Geld zu verdienen muß man
schon eine bestimmte Art von Pop- oder Rockmusik spielen. Dennoch
kann man negative Merkmale, die die kommerzielle Idee für die
Musik mitbrachte, nicht leugnen. Die Musikindustrie nahm einen wichtigen
Part bei der Durchsetzung des Fusion ein. Dies brachte einen permanenten
Erfolgsdruck mit sich, dem die betroffenen Musiker ausgeliefert waren.
Man mußte sich also den Erfordernissen des Marktes anpassen.
(vgl. Jost. Sozialgeschichte des Jazz in den USA 232) Dies bedeutete
in den meisten Fällen, daß man musikalische Mittel vereinfachte,
auch wenn man eigentlich die Qualität steigern wollte. Die Elektrifizierung
der Instrumente hing ebenfalls mit der Industrie zusammen, die durch
den Verkauf von Verstärkern und allerlei Zusatzgeräten erheblich
verbesserte Einnahmen verzeichnen konnten. Ein weiterer zu kritisierender
Punkt ist die Hervorhebung der instrumentalen Virtuosität, da
diese in nicht wenigen Fälle lediglich dazu diente musikalische
Einfallslosigkeit zu überdecken. Zu den positiven Merkmalen zählt,
daß man als Fusionmusiker üblicherweise nach wie vor seine
Qualitäten als improvisierender Musiker unter Beweis stellen
kann, was wohl für die meisten, abgesehen vom Gefallen an der
Musik als Solches, der Hauptgrund ist Fusion zu spielen. Bereits in
den 80´er Jahren war es so, daß der Jazz sich am Pop orientierte.
Als Beispiel dient das Miles Davis Album Tutu. Die ursprüngliche
Idee von Davis war es, einige Songs von Nik Kershaw, einem weißen
Popmusiker, nachzuspielen. Marcus Miller, der zu jener Zeit Produzent
und Bassist bei Davis war, verhinderte dies und schlug statt dessen
vor, Songs von Scritti Politti zu nehmen, da diese eine
anspruchsvollere weiße Popmusik repräsentierten. Die Marsalis
Brüder, die den traditionellen Jazz vertreten, protestierten
und warfen Davis vor keinen Jazz mehr spielen zu können. Bei
der Recherche über die musikalischen Vorlieben von Branford Marsalis
stieß man allerdings ebenfalls auf eine Reihe von Rockbands.
Yes, Led Zeppelin und Physical Graffiti
gehörten zu seinen Favoriten und diese Einflüsse erleichterten
ihm die Arbeit mit Sting bei dessen Blue Turtles-Tournee.
(Lake, Fusion. A Way of Life 255) Jazz setzte sich schon immer aus
vielen verschiedenen Quellen zusammen, daher ist es naheliegend auch
die Popmusik einzubeziehen. In den Jahren des Bebop und selbst zu
Zeiten der Avantgarde in den 60´er Jahren, bediente man sich
bereits bei populärer Musik, sei es bei Musicals oder bei Popsängern
wie Billie Holiday. Gunter Schuller und John Lewis waren die entscheidenden
Personen, die aus dem Jazz, auf den zu früheren Zeiten noch getanzt
wurde, eine seriöse-gediegene Musik machen wollten. Als Rock
und Pop boomten, mußten sich die Jazzer entscheiden ob sie mitziehen
oder eine andere Richtung einschlagen. Es gelang kaum einem von ihnen
auf dem Rockmarkt mitzuhalten. Die wachsende Betonung von Jugendlichkeit,
die durch die Medien ausgelöst wurde, erzeugte eine noch schärfere
Trennung zwischen Rock und Jazz. Zu dieser Zeit, Ende der 60´er
Jahre, war Rock die bevorzugte Stilrichtung bei den meisten Jugendlichen.
Diejenigen Jazzmusiker, die Rock und Jazz verbinden wollten, mußte
sich scharfen Kritiken aussetzten. In den 80´er Jahren stellte
sich die Situation so dar, daß man um wirklich Geld zu verdienen
zumindest einen Bezug zur Popmusik haben mußte. Ein Beispiel
ist Last Exit. Ein Quartett, welches frei improvisierte
Musik spielte und dennoch mit recht hohen Gagen honoriert wurde. Die
Band um Bill Laswell, Peter Brötzmann, Sonny Sharrock und Shannon
Jackson hatte dies den Tätigkeiten Laswells als Produzent für
Mick Jagger, Motörhead u.a. zu verdanken, denn solche Namen wurde
bei der Ankündigung von Last Exit immer genannt und
hatten ihre Wirkung auf die Zuschauer. Die anfänglichen Schwierigkeiten
der Fusion hatten auch damit zutun, daß die Musik für die
Masse des Rockpublikums immer noch zu anspruchsvoll war. Die beteiligten
Musiker, die sich dessen bewußt waren gingen auf einige Kompromisse
ein, die ihrer Musik aber oft mehr schadeten als das sie ihr nutzten.
Es gibt jedoch auch genügend Beispiele von Leuten, die zunächst
alle Elemente die vom Rock stammten ablehnten, später aber selbst
damit arbeiteten. Charlie Haden war z.B. ein Verfechter des Free Jazz,
der in früheren Jahren jeglichen Einsatz von elektrischen Instrumenten
verabscheute. Er regte er sich darüber auf, mit Mike Brecker
spielen zu sollen, da dieser ein Discospieler sei und ärgerte
sich über Denardo Colemans elektrisches Schlagzeug. Heute ist
er ein Fan von Brecker, mag die Möglichkeiten, die ein elektrisches
Schlagzeug bietet und hat eigene Projekte mit Rockmusikern wie z.B.
Iggy Pop. Jazzmusiker neigen häufig dazu die Rockmusik zu unterschätzen,
da sie, was die technischen Fähigkeiten am Instrument angeht,
tatsächlich oft unterfordert sind, wenn sie Rock spielen. Es
gibt allerdings Dinge, die erst erlernt werden müssen. Eine Eigenschaft
die Rockmusiker gegenüber Jazzmusikern auszeichnet ist es, auch
einmal etwas wegzulassen, nicht alle Lücken voll zu spielen.
Tony Williams gibt da ein gutes Beispiel ab. Bei Aufnahmen mit dem
Hardrock-Gitarristen Ronnie Montrose fällt auf, daß er
es nicht schafft die intuitive Einfachheit eines Rockdrummers zu erreichen
(Lake, Fusion. A Way of Life 258). Williams ist nicht der Einzige,
dem es so erging; oft waren Jazzmusiker verblüfft, wenn sie bei
einer Rock-oder Popproduktion ihr Solo neu einspielen mußten,
weil der Produzent oder die anderen Musiker nicht damit zufrieden
waren. Viele reagierten aber auch positiv auf solche Gegebenheiten
und beschäftigen sich anschließend genauer mit der Materie,
was im allgemeinen dazu führte, daß man seinen musikalischen
Horizont erweiterte und neue Ideen für seine eigene Arbeit bekam.
Berühmte Jazzmusiker wie Charlie Parker ließen sich ebenfalls
von vielen, verschiedensten Richtungen beeinflussen. Ende der 80´er
war es weniger schwierig Stile zu vermischen. Die Etiketten Rock und
Jazz, sowie Schwarz und Weiß erschienen nicht mehr so wichtig.
Die Unterteilung richtete sich nun danach, ob die Musik für ein
Konzertpublikum gedacht war oder für ein kommerzielles Video.
Das äußere Erscheinungsbild des Interpreten wurde endgültig
wichtiger als die Qualität der Musik. Musiker wie der dunkelhäutige
Gitarrist Vernon Reid, der neben seiner Beschäftigung als Musiker,
auch als Journalist/Kritiker für ein wichtiges New Yorker Magazin
tätig ist und zudem einer Organisation für schwarze Musiker
vorsteht, kämpfen gegen solche Bedingungen an. Tatsächlich
schaffte er es mit seiner Band Living Colour, welche Einflüsse
von Wes Montgomery über George Clinton mit Heavy Metal vermischten,
für einige Zeit in die Charts zu gelangen. Als Prototyp eines
modernen Musikers galt Ende der 80´er Jahre der schwedischen
Bassist Jonas Hellborg. Er vertrat und vertritt die Generation von
Musikern, die alles spielen können und es auch tun. Die Grenzen
zwischen den Stilistiken sind fließend, alles wird mit allem
vermischt. Heavy Metal und Hard Rock zum Beispiel, wurden lange Zeit
von Jazzmusikern nicht ernst genommen. Man befand diese Stilbereiche
als künstlerisch und ästhetisch fragwürdig. Leute wie
Eddie Van Halen und Steve Vai sorgten mit ihrer virtuosen Technik
und mit originellen Improvisationen dafür, daß viele ihre
Meinung darüber änderte und statt dessen selbst Elemente
des Hard Rock übernahmen. Der Bassist und Produzent Bill Laswell
vertritt sogar die Ansicht, daß Jazz und Heavy Metal sich ähneln:
Die Art, wie Peter (Brötzmann) spielt, ist gar nicht so
sehr verschieden von dem, was die Motörhead machen. Bei beiden
ist viel Sound und viel Energie da. Wahrscheinlich wäre es schwierig,
das einem Motörhead-Fan einerseits und einem Free-Jazz-Anhänger
und Rock-Gegner andererseits zu erklären; aber ich hör es
so...und das ist mein Problem(Lake, Fusion. A Way of Life 262).
Betrachtet man die Rock- und die Jazzszene, so findet man immerwieder
Musiker, die beide Stile mögen und es auch schaffen, daraus ihren
eigenen Stil abzuleiten. Ein Beispiel ist der lateinamerikanische
Gitarrist Carlos Santana, der im Laufe seiner langen Karriere sowohl
mit Jazzmusikern (Miles Davis, Dave Holland, Mc Coy Tyner), als auch
mit Rockmusikern (Bob Dylan, Buddy Guy, Willie Nelson...) zusammenarbeitete.
Seine Musik, die viele lateinamerikanische Elemente und Blues-Strukturen
enthält ist wohl eher dem Rockbereich zuzuordnen, aber dennoch
neigt er dazu, experimentierfreudige Musiker aus dem Jazz für
seine Bands zu engagieren. Andere sind vom Jazz ohne Umschweife zur
Pop-oder Soulmusik gekommen. Reggie Lucas, der der Miles Davis Platte
Aghartha mit einem peitschenden Gitarrenton seinen Stempel
aufdrückte, zählte in den 80´er Jahren zum Produzenten-
und Managerteam von Madonna. Michael Henderson war der erste E-Bassist
bei Davis und spielte später Soulmusik. Es gibt noch viele solche
Beispiele. Das Motiv mehr Geld verdienen zu wollen ist wohl als ein
Hauptgrund für derartige Wechsel in die Popszene anzusehen. Die
Honorare die beispielsweise Branford Marsalis, Omar Hakim, Darryl
Jones und Kenny Kirkland als Band des Popsängers Sting erhielten,
sind mit Jazz unerreichbar. Kommerzielle Gründe sind jedoch nicht
allein ausschlaggebend für Jazzmusiker Rock oder Pop zu spielen.
Es geht ihnen auch darum, neue Sachen auszuprobieren. Die Rockmusik
(mit ihren verschiedenen Stilrichtungen), als ein Kind des Jazz, ist
dabei eine wertvolle Quelle. (vgl. Lake, Fusion. A Way of Life 265)
|
|
|